In den letzten Wochen wurde eine Erhöhung des Rentenalters auf 68 Jahre diskutiert. Meine persönliche Haltung hier ist stark ablehnend und dies ist eine gute Gelegenheit, meine Position zum Rentensystem darzustellen.
Bereits in den 1990er und 2000er Jahren wurde die gesetzliche Rente durch eine massive Medienkampagne schlechtgeredet. Das Ergebnis war, dass viele Menschen Angst bekamen und in teilweise fragwürdige private Vorsorgeprodukte investierten. Schließlich sah sich die Regierung Schröder gezwungen, die private Vorsorge zu regulieren und steuerlich zu fördern. Dieselbe Diskussion wird heute wieder geführt. Es werden die Argumente genannt, dass das Verhältnis von Arbeitnehmer*innen und Rentner*innen sich verschiebt (was teilweise stimmt) und dass wir deswegen eine Kapitaldeckung der Rente und ein höheres Renteneintrittsalter benötigen (beides ist aus meiner Sicht falsch).
Tatsächlich ist die umlagefinanzierte Rente das beste System. (Das Wort „Umlagefinanzierung“ beschreibt das jetzige System, in dem durch die Versicherten Beiträge eingezahlt und die Rentenansprüche der Leistungsberechtigten mit diesem Geld ausgezahlt werden.) Eine Kapitaldeckung würde die Situation des Rentensystems nicht wesentlich verbessern. Jede Rentenzahlung muss von der arbeitenden Generation erwirtschaftet werden, dabei ist es unerheblich, ob die Rente umlagefinanziert oder kapitalgedeckt ist. Außerdem verursacht die umlagefinanzierte Rente im Unterschied zur kapitalgedeckten Rente wesentlich geringere Verwaltungskosten.
Zwar stimmt es, dass zukünftig die Zahl der Rentnerinnen und Rentner steigt. Doch gibt es Alternativen zu einer Erhöhung des Renteneintrittsalters. Diese bestehen zunächst in einer Verbreiterung der Basis der Einzahlerinnen und Einzahler. Eine Schlüsselrolle kommt hier der Arbeitsmarktpolitik zu. Durch Massenarbeitslosigkeit fehlen derzeit ca. 3 Millionen Einzahlerinnen und Einzahler. Wir dürfen uns mit Arbeitslosigkeit nicht abfinden, sondern müssen sie im Gegenteil mit aller Entschlossenheit bekämpfen.
Ein weiteres Stichwort ist die Einbeziehung von weiteren Gruppen in die Rentenversicherung. Dies sollte beispielsweise Politikerinnen und Politiker betreffen, aber auch Selbständige und Kapitalbesitzer sind mögliche Stichworte. Auch bei neu eingestellen Beamtinnen und Beamten sollte das zumindest geprüft werden, um die Basis der Rentenversicherung zu erweitern. Allgemein verbessern steigende Einkommen die Einnahmenbasis der Rentenversicherung. Wir sollten alles dafür tun, dass Löhne und Gehälter auf breiter Front steigen, die Bildung verbessert und die Produktivität der Wirtschaft erhöht wird. Auf diesem Weg ist es ja auch gelungen, die Rentenversicherung weitgehend stabil zu halten, obwohl sich das Verhältnis von Arbeitnehmer*innen zu Rentner*innen von 25:1 im Kaiserreich auf etwa 2:1 heute verändert hat. Da schaffen wir die nächsten Jahrzehnte wohl auch noch.
Ein weiterer Punkt sind die so genannten versicherungsfremden Leistungen. Die Rentenversicherung zahlt jedes Jahr über 100 Milliarden Euro für Leistungen aus, die nicht zu ihren Aufgaben gehören. Dies sind beispielsweise Kriegsfolgelasten oder Renten für Menschen, die gar nicht eingezahlt haben. Zwar gibt es einen Bundeszuschuss zur Rentenversicherung, doch auch nach Abzug dieses Zuschusses bleiben etwa 40 Milliarden Euro versicherungsfremde Leistungen übrig. Ohne diese Leistungen wären die Renten wesentlich höher. Die versicherungsfremden Leistungen müssen künftig komplett vom Staat getragen werden. Dies sollte dadurch finanziert werden, dass die Steuerbelastung von Kapitalerträgen an die Steuerbelastung der Löhne und Gehälter angeglichen wird, was beispielsweise durch die Reform der Abgeltungssteuer und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer geschehen kann.
Bereits die Rente mit 67 war eine Zumutung und muss dringend durch flankierende soziale Maßnahmen begleitet werden. Rente ist Menschenrecht. Ich fordere die Möglichkeit eines Renteneintritts mit 65 Jahren, wenn 40 Arbeitsjahre geleistet wurden. Jeder Versuch einer Erhöhung des Rentenalters wird in mir einen entschlossenen Gegner finden.
Darüber hinaus spreche ich mich für weitere Veränderungen des Rentensystems aus. Die Rente muss so ausgestaltet werden, dass sie nach einem langen Arbeitsleben existenzsichernd ist. Dazu brauchen wir unter anderem Verbesserungen bei der Grundrente. Auch sollten wir den Erwerb von Wohneigentum während des Arbeitslebens erleichtern. Wohneigentum hilft, die Wohnkosten in den Griff zu bekommen, und stellt insofern einen wichtigen Teil der Altersvorsorge dar.